Über die Künstlerin
Januszeichen und Transformation in der Malerei von Marie Carolin Knoth
Nirgends sieht man derzeit eine engere Verflechtung von Malerei und Druckgrafik, als bei Marie Carolin Knoth. Ernsthaft, zugleich liebevoll und heiter verfolgt Knoth die Entwicklung ihrer Gemälde. Entwicklung deshalb, weil sie im Entstehen ein starkes Eigenleben entwickeln. Ihre Bilder schöpfen aus reichen Quellen, historisch, technisch, seelisch. In technischer Hinsicht kann Knoth auf ihre intensive Erfahrung und geradezu wissenschaftliche Experimentierarbeit mit dem anspruchsvollen Clichée Verre zurückgreifen. Auch als Glasklischeedruck bezeichnet war diese grafische Technik aus dem frühen 19. Jahrhundert lange in Vergessenheit geraten.
Spürbar ist der Entwicklungs- und Transformationsprozess bei Knoth aber auch immer in den formalen Mitteln, für die sie sich in ihrer Malerei entscheidet. Spielerisch leicht und anmutig verbindet sie die beiden scheinbaren Gegensätze von Abstraktion und Gegenständlichkeit miteinander, setzt sie dabei in ein sowohl spannendes als auch harmonisches Verhältnis, von dem beide Aspekte profitieren. Energetisch schwingen die verschiedenen Ebenen in ihren Bildern, sodass nicht einmal das süße Kindchenschema in einem Bild wie Irrlicht oder Blaue Stunde (beide 2015) süßlich wirkt, denn es bekommt den starken Ausgleich durch eine bisweilen raue malerische Umsetzung, grobe Pinselstriche, eine alles andere als glatte Bearbeitung, Drippings und andere Zufälligkeiten. Genau diese Widersprüchlichkeiten machen Knoths Gemälde zu einer Augenweide: Themen voller Zärtlichkeit, auch Mütterlichkeit; von Szenen, in denen die ganze Liebe von Marie Carolin Knoth zu grundlegenden menschlichen Erfahrungen und zur Natur empfunden werden kann. Bei Knoth ist es, als hätten das Action Painting von Jackson Pollock, die klassische Ästhetik der Fotografie des 19. Jahrhunderts mit den zärtlichen Bildern einer Berthe Morisot oder Mary Cassatt eine Union geschlossen. Gegensätze, die sich vermeintlich ausschließen. Januszeichen. Genau diese Ambivalenz, der Zusammenklang und die quasi harmonische Verbindung der Gegensätzen ist es, was Knoth in ihrer Malerei aktuell besonders interessiert, fasziniert und antreibt. Eine symbiotische Verschmelzung sucht der Betrachter hingegen vergeblich: Die einzelnen Bestandteile sind im Ganzen noch eindeutig nachvollziehbar und immer wieder deutlich von einander abgegrenzt.
In der Rückschau erschließt sich die Entwicklung von Knoths Malerei wie ein stringent aufgebautes Drehbuch, in dem sich die Spannung zunehmend verdichtet, Themen sich zuspitzen und an Relevanz gewinnen – ohne dass die Künstlerin das so hätte voraussehen können. Während für Marie Carolin Knoth in der prägenden Zeit des Malereidiploms an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig das Thema von Netzen, von Vernetztheit und Wasser ganz im Zentrum ihrer Aufmerksamkeit stand, hat sie sich in der darauf folgenden Zeit als Meisterschülerin von Neo Rauch dem Thema Aufbruch und Wandlung verschrieben. Besonders wichtig ist für Knoth der Begriff der Initiation als Übergang von einer Phase in die nächste, als Transformation und Metamorphose. Ein Kernpunkt der Initiation besteht für sie in der Feuerprüfung: Durch das Feuer gehen und nicht zu verbrennen. Das Januszeichen steht auch für das Davor und Danach der Initiation.
© Dr. Sara Tröster Klemm, 2015